
Ferdinand Nigg
1865 in Vaduz, Liechtenstein – 1949 in Vaduz, Liechtenstein
Der König aus der Georgs-Legende
n.d.
Pinselzeichnung; Aquarell und Tusche auf Papier
Rahmenmass: 82 x 67 x 3.5 cm
Bildmass: 52.7 x 42.8 cm
LSK 1986.14
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Das Aquarell von Ferdinand Nigg zeigt fast bildfüllend eine nach vorn gebeugte Figur, die ihr Hände gekreuzt vor das Gesicht hält. Die Krone sowie das bodenlange Gewand und der mit goldenen und schwarzen Mustern übersäte Umhang, der an mit Hermelin verzierte Königsmäntel erinnert, bezeugen die königliche Herkunft des Dargestellten. Der Bildraum ist durch vertikale Linien und geometrische Formen gegliedert und ähnlich wie die Figur durch einfache Striche beschrieben.
Körper und Raum verbindet zwar dieselbe Farbigkeit, sie werden dennoch durch die auffällige, schwarze Silhouette des Pinselstriches voneinander getrennt.
Der Bildausschnitt nimmt Bezug auf die gebeugte Körperhaltung des Königs, da dieser, stünde er aufrecht, nicht mehr in das Bildfeld passen würde. Die dichte, durch viele Senkrechten dargestellte Architektur verstärkt den Eindruck des gedrängten Bildgefüges: Am linken Bildrand ragt eine scharf zulaufende Säule auf, die Teil eines Throns sein könnte; rechts im Hintergrund ist ebenfalls eine spitze dreieckige Form zu sehen, die an ein Giebeldach mit Fenster erinnert.
Obwohl das Gesicht nicht erkennbar ist, deuten die verbergenden Hände auf ein Gefühl der Trauer und Verzweiflung hin, das durch die Gedrungenheit des architektonischen Raums verstärkt wird.
Der klagende König aus der Georgs-Legende stellt eine Episode aus der Erzählung des Heiligen Georg dar, die in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine geschrieben steht. Nigg verbildlichte hier den Moment, in dem der König seine eigene Tochter einem Drachen opfern muss. Um den Zorn des Ungeheuers zu besänftigen, welches das Volk bedrohte, hatte der König das Gesetz erlassen, dem Drachen die Söhne und Töchter der Stadt zu opfern. Das Los war nun auf die Tochter des Königs gefallen, so dass dieser mit den Konsequenzen des eigenen Gesetzes ringen musste.
Nigg, der sich in seinem Werk zumeist mit christlichen Sujets auseinandersetzte, stellt über die Erzählung hinaus einen sehr menschlichen Gefühlszustand dar. In der für ihn typischen, abstrahierenden Malweise setzt er den Ausdruck der Bestürzung um, der durch das dichte architektonische, fast ornamentale Gefüge noch intensiviert wird.
Ferdinand Nigg war in frühen Jahren als Grafiker, Textildesigner, Buchgestalter und Typograf tätig. Auch seine Malerei ist beeinflusst von der Abstraktion der grafischen und textilen Arbeiten. Häufig dienen die Zeichnungen als Vorlage für Stickarbeiten, wie dem sich ebenfalls in der Sammlung des Kunstmuseums befindenden Wandbehang mit Motiven aus der Georgs-Legende.
Christina Lehnert